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Podcast #sommerohnepax

Ich hab Heimweh – 16.08.2019

Kinder und Soldaten kennen das Heimweh am besten, sagt man.

Kinder, das erste Mal im Camp, weg von zu Hause, dann abends, da fehlt plötzlich die vertraute „Gute Nacht!“-Stimme …

Soldaten, von ihnen gibt es viele Briefe, Feldpostkarten, wo du es in jeder Zeile liest…

Heimweh – nur Kinder und Soldaten?

Sicher nicht. Ich vermute, auch du kennst es. Wenn du in einem fremden Land bist, mit großer Lust und Entdeckerfreude, kann dich trotzdem dieses Gefühl treffen, unerwartet, heftig.

Eine mir bekannte Jugendliche lebte für einige Zeit in Ägypten. In ihren Mails schrieb sie begeistert über ihre Zeit dort, all die fremden Eindrücke, das herrlich neue Lebensgefühl.

 

Und dann dazwischen solche Zeilen:

Doch diese wundervollen Momente werden immer wieder unterbrochen von denen, wo es dir schwer fällt weiterzumachen. Wo du den Dreck auf den Straßen wieder mehr siehst, die Menschen beobachtest, die sich oft so unmöglich verhalten, in der Straßenbahn wie ein Alien angestarrt wirst und du am liebsten schreien würdest. Die Momente, wo du denkst, es geht nicht mehr, wo dir alles zu laut und zu schnell ist. Die, wo du dich fragst, kann das hier zumindest temporär eine Art Zuhause werden? Die Momente, wo dir all das, was du nicht hast, so unheimlich fehlt. Ihr fehlt mir. Der Winter fehlt mir. Die Luft fehlt mir. Das Fahrrad, die Blumen und die Wiesen, die Ruhe, die Vögel und Klöße essen…

Heimweh nach ihrem Land, ihrer Kultur, einer Landschaft, der Muttersprache, nach den vertrauten Menschen.

Heimweh kann kommen, auch wenn du unterwegs noch so glücklich bist.

Es wird wieder gehen.

Und es kann wiederkommen.

Denn Heimweh ist eine Sehnsucht.

Sie kommt immer wieder, diese Sehnsucht, verstanden zu werden, diese Sehnsucht, anzukommen irgendwo, irgendwie, irgendwann. Tief drinnen heimisch zu sein. Und dafür musst du nicht einmal in die Ferne reisen, um das zu spüren. Dieses Heimweh kann dich auch zu Hause treffen im Kreis deiner liebsten Leute. Den Schriftsteller Heinrich Böll fragte man einmal, warum er, der doch aus der Kirche ausgetreten war, an Gott glaube. Er sagte:

„Wegen der Tatsache, dass wir alle eigentlich wissen – auch wenn wir es nicht zugeben – dass wir hier auf der Erde nicht zu Hause sind, nicht ganz zu Hause sind. Dass wir also noch woanders hingehören und von woanders herkommen… Auch wenn Menschen glücklich verheiratet sind, Kinder haben und einen Beruf, der ihnen Spaß macht, fühlen sie sich zeitweise, sekundenweise, fremd auf dieser Erde. Es handelt sich hier keineswegs um ein bloßes Gefühl, sondern vielleicht um eine uralte Erinnerung an etwas, das außerhalb von uns selbst existiert. Das ist ein Grund für mich, an Gott zu glauben.“

So Böll. Ich würde diese Erinnerung nicht außerhalb von uns verorten, sondern fließender, außerhalb, innerhalb, denken. Aber ansonsten verstehe ich gut, was Böll meint.

Da ist diese uralte Erinnerung, von Generation zu Generation wird sie weitergegeben, dass es etwas gibt, was „mehr“ ist. Was größer ist als unser Denken und Fühlen. Wohin unser tiefstes Heimweh geht.

Gott, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Ich bin manchmal fasziniert einfach nur von der Sprache der Bibel. Hier ist es Sprache und Inhalt gleichzeitig. Unglaublich treffende Worte findet der Psalmbeter für das, was er spürt, ahnt, hofft. Hier in diesen Worten dockt meine Sehnsucht, mein Heimweh an. Du bist meine Zuflucht für und für. Der Ort, außerhalb oder innerhalb von mir, dieses „mehr“, wo ich hinkann, egal wo ich bin. Und nicht nur am Ende der Zeiten, sondern auch jetzt, z.B.

Wisst ihr, was ich in diesem Zusammenhang denke? Ich glaube, wenn wir geboren werden, bekommen wir von Gott ein Geschenk. Einen Haustürschlüssel für genau diesen Ort.

Es ist immer noch Sommer. Ich schlag dir diesen Psalm 90 als Lektüre vor. Lies ihn dir durch. Manches wird dich verwirren, anderes ansprechen. Nimm dir einzelne Verse und lies sie immer wieder, meditiere sie. Komm darin an. Kannst mir gern schreiben, wenn dich was anspricht. Ein starker Text von Heimweh und Ankommen. Komm wieder, Menschenkind, heißt es in Vers 3. Wie schön, wenn jemand zu mir sagt: Hallo, willkommen zu Hause!

AMEN

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Und ich flieg davon – 10.07.2019

Cooles Tattoo, finde ich. Genauer hinterfragt steht dort:
Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so
würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten.
(Psalm 139, 9+10). So betet einer vor vielleicht zweieinhalbtausend
Jahren. So lässt es sich heute noch eine junge Travellerin tätowieren.

Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. (Psalm 139, 9+10)

Nähme ich Flügel…
Auf welchen Flügeln hat es dich denn hinweggetragen, oder wohin wird
die Reise noch gehen? Zu welchen Meeren zieht es dich in diesem
Sommer? Ob weiter weg oder in die nähere Ferne, ob Wasser oder
Wald, Stadt oder Dorf, im Sommer wollen wir meistens gern mal raus.
Alles hinter uns lassen, Kalender, Lehrbücher, To-Do-Listen, den Geruch
von Arbeit. Flügel anschnallen und losfliegen. Wenn du den Psalmbeter
so hörst, weißt du, dass der Traum vom Fliegen, vom Einfach-
Losfliegen, wirklich schon uralt ist.
Und bist du einmal losgeflogen, können dir ja die unterschiedlichsten
Sachen geschehen. Losfliegen muss es ja auch nicht wörtlich sein –
ökologischer Fußabdruck. Es geht auch gut per Bahn, z.B.
im Sommer, als ich 20 war, bin ich mit Lust und Gottvertrauen
„losgeflogen“- und das war ein Einsteigen in den Zug. Ich wollte meine
Brieffreundin Natascha in der Ukraine besuchen. Die Reise ging super
los, denn der Schaffner teilte mir mit, dass ich die falsche Fahrkarte
hätte. So ging das weiter. In Warschau brauchte man für Platzkarten im
Zug nach Russland etwa eine Woche. Bestechung, wurde mir geraten.
Ich kämpfte mich in den übervollen Zug hinein. Der Schaffner fragte mich
statt nach einer Platzkarte nach Schnaps. Irgendwann landete ich an der
russischen Grenze, lief nachts durch eine kleine Grenzstation, um dann
auf einem chaotischen russischen Bahnhof zu landen und nicht weiter zu
wissen. Eine pragmatische Russin drückte mir ihr Baby in den Arm und
machte mir deutlich, dass sie sich um Fahrkarten für uns bemühen
würde. Kennt ihr alte russische Bahnhöfe? Laut, schrille Gestalten und
die Aussicht auf Weiterkommen scheinbar hoffnungslos. So stand ich da:
allein, ohne WLAN, planlos, haltlos. Während ich auf das schreiende
russische Baby einredete, war plötzlich ein anderer Traveller neben mir
und meinte: Du sprichst ja deutsch? Wo willst du denn hin? Ich sagte
überrascht und verzweifelt: Nach Tschernowzy eigentlich. „Na dann alles
Gute!“ meinte er zu mir. Dann legte er kurz die Hand auf meinen Kopf
und sagte: Gott segne dich.
Dann war er wieder weg. Aber, sein Wort blieb. „So würde auch dort
deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. Es war genau
so.

In diesem Moment wurde ich ruhig. Ganz tief ruhig. Irgendwann kam die
Russin mit Fahrkarten und es wurde eine sehr lustige Zugfahrt bis zu
Nataschas Strastwudje – Guten Tag!
Der Segen dieses Traveller-Engels, diese Hand Gottes, hat mich
berührt, gehalten.
Wenn du dir mal den Psalm 139 im Ganzen durchliest, dann wirst du
entdecken, dass der Psalmbeter einen ganz engen Draht zu Gott hat.
Ein unglaublich tiefes Gottvertrauen: Gott, deine Augen sahen mich, als
ich noch nicht bereitet war … (Vers 16). Von allen Seiten umgibst du
mich … (Vers 5). Der Psalmbeter denkt intensiv über seine
Gottesbeziehung nach, beredet das mit Gott.
Archimedes, der wohl bedeutendste Mathematiker der Antike, sagte
einmal: Gebt mir einen festen Punkt, und ich werde die Welt aus den
Angeln heben. Er meinte dies ganz wörtlich: Mittels der Hebelgesetze
wollte er buchstäblich die ganze Erde in Bewegung setzen – alles, was
er dazu bräuchte, sagte er, sei ein fester Punkt im Weltall und ein
entsprechend langer Hebel.
Im übertragenen Sinne heißt das für uns: Wenn wir den richtigen
Fixpunkt haben, können wir viele Hebel in Bewegung setzen, dann kann
viel geschehen.
So war es bei mir. Ich hatte durch diesen Segen, durch diesen Zuspruch
von Gottes JA zu mir, wieder innerlich meinem Fixpunkt bekommen: Gott
ist bei mir. Von da ab war es leicht, trotz immer noch weiteren
Überraschungen. Der Fixpunkt in mir war wieder festgemacht. Und ich
konnte die Reise als Abenteuer sehen, nicht mehr als bedrohliches
Chaos.
Wie ist das bei dir? Hast du diesen Fixpunkt, diesen festen Punkt in
deinem Leben?
Lies diesen Psalm im Sommer. Meditiere ihn. Nimm einzelne Verse
daraus. Du hast ihn immer greifbar, denn du hast vermutlich WLAN;-).
Ich mag die Lutherübersetzung am liebsten. Sie ist mir einfach vertraut.
Und ich bin gespannt, was du für Erfahrungen mit diesem Gebet machst.
Du kannst mir gern schreiben.
Dieses kraftvolle Gebet, was dich heute noch genau so treffen kann auf
einem lauten Bahnhof, am indischen Ozean oder auf einem Floß in
Mecklenburg. Nähme ich Flügel der Morgenröte …

Amen

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